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Stellungnahme zum Referentenentwurf Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz - KHVVG

Gesundheit

SoVD-Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz - KHVVG)

1 Zusammenfassung des Gesetzentwurfs

Mit der Reform der Krankenhausvergütung werden drei zentrale Ziele verfolgt: die Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität, die Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung für Patient*innen sowie die Entbürokratisierung. Dafür sieht der Entwurf u.a. folgende wesentliche Maßnahmen vor:

  • Krankenhausplanung nach bundeseinheitlichen Leistungsgruppen auf Basis des Modells der Landeskrankenhausplanung Nordrhein-Westfalen,
  • Einführung einer Vorhaltevergütung bei Absenkung der Fallpauschalen,
  • Verknüpfung der Vorhaltevergütung mit der Zuweisung von Leistungsgruppen durch die Planungsbehörde des Landes sowie der Erfüllung der betreffenden Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen,
  • Einführung eines vierstufigen Verfahrens zur Festlegung bundeseinheitlicher Qualitätskriterien für die Leistungsgruppen sowie deren Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung,
  • Möglichkeit zur Bestimmung sektorenübergreifender Versorgungseinrichtungen zur stationären und erweiterten ambulanten sowie medizinisch-pflegerischen Versorgung,
  • Etablierung eines Transformationsfonds,
  • Vollständige Tarifrefinanzierung.

Das Gesetz sei nicht zustimmungsbedürftig und soll im Wesentlichen ab 2025 in Kraft treten.

2 Gesamtbewertung

Eine Krankenhausreform in Deutschland ist dringend erforderlich. Wir brauchen in Deutschland eine flächendeckende, wohnortnahe und qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung, die verlässlich und angemessen finanziert wird. Deshalb geht die geplante Krankenhausreform grundsätzlich in die richtige Richtung, um den hohen finanziellen Druck aus dem System zu nehmen und gleichzeitig die Qualität der Versorgung zu verbessern.

Dazu ist die Abschwächung der starren Konzentrierung auf Fallpauschalen und die Einführung einer Vorhaltevergütung ein wichtiger Schritt. Die Einführung von bundesweit einheitlichen Leistungsgruppen, die mit einheitlichen Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen hinterlegt werden, ist zielführend, um eine flächendeckend qualitativ hochwertige und medizinische Versorgung gleichermaßen bundesweit und zugleich wohnortnah in der Region sicherzustellen.

Vorhaltevergütungen und weitere unterstützende Finanzierungsmittel müssen zwingend mit wirkungsvollen Maßnahmen zur Reglementierung von Kommerzialisierung und Renditen in der Gesundheitsversorgung einhergehen. Als SoVD wenden wir uns entschieden gegen die fortschreitende Kommerzialisierung des Gesundheitswesens. Zugleich müssen die knappen finanziellen Mittel wohlüberlegt und gezielt eingesetzt und dürfen nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden. Bedarfsnotwendige und für die Versorgung unverzichtbare Standorte müssen erhalten bleiben.

Hier stehen die Länder zuallererst in der Pflicht, endlich ihrer Verantwortung für die Investitionskosten der Krankenhäuser gerecht zu werden, der sie seit Jahren nicht nachkommen. Es kann nicht sein, dass der Bundesanteil zur Finanzierung des Transformationsfonds allein aus Beitragsmitteln der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erfolgen soll. Die Reform kann nicht zuvorderst auf den Schultern der Beitragszahlenden lasten. Es sind vor allem kleine und mittlerer Einkommen, die in der GKV beitragspflichtig versichert sind und durch die milliardenschwere Finanzierung des Transformationsfonds systemwidrig belastet werden.

Die Krankenhausreform kommt allen Bürger*innen zugute, nicht nur den gesetzlich Versicherten. Der Bundesanteil für den Transformationsfonds zum Zweck von gesamtgesellschaftlichen Strukturveränderungen in der Krankenhausversorgung muss deshalb aus Steuermitteln finanziert werden. Beitragsmittel der GKV dürfen nicht zweckentfremdet werden.

Für eine gute Gesundheitsversorgung ist eine vernetzte, sektorenverbindende, interdisziplinäre Versorgung von zentraler Bedeutung. Um die Versorgung in der Fläche sicherzustellen, sind auch die Potenziale der Ambulantisierung von zurzeit stationär erbrachten Leistungen nutzbar zu machen. Im internationalen Vergleich werden in Deutschland Patient*innen überdurchschnittlich häufig stationär behandelt. Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen können hierbei wichtige Schnittstellenprobleme wohnortnah lösen und die Grundversorgung verbessern. Der SoVD setzt große Erwartungen und Hoffnungen in die neue Form der integrierten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen, die Potenzial haben, die bestehenden Versorgungslücken zwischen den – nach wie vor bestehenden – Sektorengrenzen im deutschen Gesundheitswesen zu schließen.

Maßnahmen zur Teilhabe, Inklusion und Barrierefreiheit müssen bei Planung und Gestaltung der Gesundheitsversorgung eine zentrale Rolle einnehmen. Nach wie vor stoßen Menschen mit Behinderungen oder Pflegebedarf in ungünstigen sozialen Lagen oder mit Migrationshintergrund im deutschen Gesundheitswesen auf unterschiedlichste Barrieren und Hindernisse. In der Folge sind sie einem höheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Gerade aber für diese Personengruppe ist eine gute gesundheitliche Versorgung essenziell.

3 Zu einzelnen Regelungen

Einführung einer Vorhaltevergütung ist richtig und notwendig

Insbesondere zu Artikel 2 Nr. 8 (Zu 17b Abs. 4b und 4c KHG NEU)

Mit der Einführung einer Vorhaltevergütung für somatische Krankenhäuser soll künftig die Vorhaltung von Strukturen in Krankenhäusern weitgehend unabhängig von der Leistungserbringung gesichert und der Anreiz für die Krankenhäuser gesenkt werden, Fallmengen zu generieren und auszuweiten. Die Vorhaltevergütung erfolgt über ein Vorhaltebudget, das unabhängig von der Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen dem einzelnen Krankenhaus ausbezahlt wird und künftig die Finanzierung der Betriebskosten der Krankenhäuser zu 60 Prozent übernehmen soll. Die restlichen 40 Prozent sollen weiter über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) finanziert werden. Zur Einführung der Vorhaltevergütung wird die Krankenhausvergütung auf eine Kombination aus pauschaliertem DRG-Vergütungssystem, krankenhausindividueller Pflegepersonalkostenvergütung und einer leistungsgruppenbezogenen Vorhaltevergütung umgestellt. Vorgesehen ist zudem ein Fallzahlenkorridor, wonach Krankenhäuser bei Schwankungen von bis zu plus 20 oder minus 20 Prozent die gleiche Vorhaltevergütung erhalten. Erst außerhalb dieses Korridors wird die Vorhaltefinanzierung angepasst.

SoVD-Bewertung: Die Einführung einer Vorhaltepauschale und die Abkehr vom (reinen) Fallpauschalen-System ist grundsätzlich richtig. Als Teil der kritischen Infrastruktur und Daseinsvorsorge muss die stationäre Versorgung finanziell sichergestellt sein. Die Vorhaltefinanzierung kann den Kostendruck reduzieren und spiegelt die Bedeutung der Krankenhäuser für die Daseinsvorsorge wieder.

Das pauschalisierende Abrechnungssystem mit diagnosebezogenen Fallgruppen (Diagnosis Related Groups, DRG) hat eine systematische Unterfinanzierung zur Folge und bietet erhebliche finanzielle Fehlanreize. Einerseits werden die Kosten einer Behandlung nicht vollständig, sondern lediglich pauschal vergütet. Damit wird die Vorhaltung von notwendigem Personal und Technik nicht immer auskömmlich refinanziert. Zudem bietet das rein leistungs- und mengenorientierte Vergütungssystem erhebliche Fehlanreize. Krankenhäuser können sich beispielsweise zur Gewinnmaximierung oder zur Querfinanzierung von fehlenden Investitionsmitteln auf vornehmlich finanziell attraktive Leistungsangebote beschränken. Auf weniger lukrative und weniger planbare Leistungen und ihre – jedoch in der Fläche notwendige – Abteilungen wird verzichtet, wie Geburtshilfe oder Pädiatrie. Dies führt zu Personaleinsparungen und Qualitätsabbau, was letztlich die Patientensicherheit gefährdet.

Ein Ausgleich von Schwankungen in den Fallzahlen der Krankenhäuser erscheint unter Vorhalteaspekten grundsätzlich sinnvoll. Der Entwurf sieht hier rund +/- 20 Prozent als Fallzahlenkorridor vor (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 7 KHG - NEU). Damit erhalten Krankenhäuser bei Schwankungen von bis zu plus zehn oder minus zehn Prozent weiter die gleiche Vorhaltevergütung. Allerdings birgt dies auch die Sorge vor massiven Fehlanreizen, das Leistungsangebot bei gleichbleibender Vorhaltevergütung um bis zu -20 Prozent zu reduzieren. Versorgungsrelevant bedenklich wird dies umso mehr, als dass jene Kliniken, die ihre Fallzahlen etwa aufgrund höheren Bedarfs erhöhen, durch einen geringeren Erlös rechnerisch benachteiligt werden anstatt begünstigt. Hier muss dringend gegengesteuert werden. Auch vor diesem Hintergrund ist die vorgesehene Evaluation des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes sehr sinnvoll.

Insgesamt muss die Einführung einer Vorhaltevergütung zwingend mit wirkungsvollen Maßnahmen zur Reglementierung von Kommerzialisierung und Renditen in der Gesundheitsversorgung einhergehen. Als SoVD wenden wir uns entschieden gegen die fortschreitende Kommerzialisierung des Gesundheitswesens. Im Mittelpunkt des Gesundheitssystems müssen die Patient*innen stehen. Die begrenzten Mittel müssen zum Wohle der Menschen mit Bedarfen und nicht zur Renditegewinnung insbesondere privater Unternehmen und Kapitalgesellschaften eingesetzt werden. Das deutsche Gesundheitswesen ist für private Investoren höchst attraktiv. Die Attraktivität wird durch das geltende Vergütungssystem verstärkt. Internationale Private Equity Investoren nutzen Gesundheitseinrichtungen wie Medizinische Versorgungszentren (MVZ), Zahnarztpraxen, Kliniken und Reha-Einrichtungen zur Gewinnmaximierung und dem Weiterverkauf.

Kleine Krankenhäuser werden zwecks Gründung Medizinischer Versorgungszentren aufgekauft. Beitragsmittel der Versichertengemeinschaft werden nicht in die Einrichtungen reinvestiert, sondern als Dividenden und Renditen ausgeschüttet.

Künftige Krankenhausplanung nach Leistungsgruppen ist richtig

Zu Artikel 1 Nr. 9 (§§ 135e und 135f SGB V NEU) und Artikel 2 Nr. 2 (zu § 6a KHG)

Die Leistungen der Krankenhausbehandlung werden künftig nach sogenannten Leistungsgruppen differenziert, die medizinische Leistungen abbilden. Zugrunde gelegt werden anfänglich sechzig somatischen Leistungsgruppen nach dem Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen 2022 ergänzt um fünf zusätzlichen Leistungsgruppen (Infektiologie, spezielle Kinder- und Jugendmedizin, spezielle Kinder- und Jugendchirurgie, spezielle Traumatologie, und Notfallmedizin).

Die Definition von Leistungsgruppen beinhaltet auch die Festlegung von sachgerechten, bundeseinheitlichen Qualitätskriterien je Leistungsgruppe. Unter anderem soll damit sichergestellt werden, dass Krankenhäuser Leistungen künftig nur noch erbringen dürfen, soweit sie geeignete Struktur- und Prozessqualitätsmerkmale erfüllen (bestimmtes Maß an technischer Ausstattung, richtig qualifiziertes Personal sowie die erforderlichen Fachdisziplinen zur Vor-, Mit- und Nachbehandlung). Die Festlegung von bundeseinheitlichen Qualitätskriterien für diese Leistungsgruppen sowie die Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung der anfänglichen Leistungsgruppen soll in einem vierstufigen Verfahren durch Bund und Länder unter Einbindung u.a. der medizinischen Fachgesellschaften sowie der Selbstverwaltungspartner im Gesundheitswesen und den Patientenorganisationen nach § 140f erfolgen. Daneben sollen auch Mindestvorhaltezahlen je Leistungsgruppe gelten. Mindestvorhaltezahlen sind eine Mindestanzahl an erbrachten Behandlungsfällen je Krankenhausstandort. Sie werden durch das BMG auf Grundlage der Empfehlungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen sowie der Auswertungen und der Empfehlung des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt.

Krankenhäuser erhalten die Vorhaltevergütung für Leistungsgruppen, deren Qualitätskriterien sowie Mindestvorhaltezahlen sie grundsätzlich erfüllen und die ihnen durch die Planungsbehörden der Länder zugewiesen wurden. Die Medizinischen Dienste überprüfen die Krankenhäuser dahingehend. Leistungsgruppen können als Instrument einer leistungsdifferenzierten und qualitätsorientierten Krankenhausplanung dienen.

SoVD-Bewertung: Die Einführung von bundesweit einheitlichen Leistungsgruppen wird ausdrücklich begrüßt. Die Festlegung und Fortentwicklung bundeseinheitlicher Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen für die Leistungsgruppen trägt dazu bei, hochwertige und einheitliche Versorgungsstandards bundesweit zu ermöglichen, die Patientensicherheit zu stärken und eine hohe Behandlungsqualität zu fördern. Es ist wichtig und letztlich eine Selbstverständlichkeit, dass Leistungen nur noch dort erbracht werden dürfen, wo geeignete Struktur- und Prozessqualitätsmerkmale vorliegen. Bislang behandeln Krankenhäuser gewisse Fälle zu häufig auch ohne passende personelle und technische Ausstattung, etwa Herzinfarkte ohne Linksherzkatheter, Schlaganfälle ohne Stroke Unit oder onkologische Erkrankungen ohne zertifiziertes Krebszentrum. Die Festlegung von angemessenen Mindestvorhaltezahlen wird befürwortet, um eine sachgerechte Konzentration von Versorgungsstrukturen sowie Versorgungsqualität zu gewährleisten und sicherzustellen.

Zurecht erhalten Krankenhäuser daher die Vorhaltevergütung nur dann für Leistungsgruppen, deren Qualitätskriterien sowie Mindestvorhaltezahlen sie grundsätzlich erfüllen und die ihnen durch die Planungsbehörden der Länder zugewiesen wurden. Unterschiedliche Versorgungsstandards und Versorgungszugänge in den Bundesländern sind angesichts des gleichen Versicherungsstatus der gesetzlich Versicherten nicht akzeptabel. Für eine angemessene Versorgung braucht es nicht an jeder Ecke einen Maximalversorger wie Universitätskliniken.

Gleichwohl ist nicht zumutbar, für gute Qualität erst hunderte Kilometer fahren zu müssen. Qualität und Erreichbarkeit sind in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. Vorgesehene Ausnahmeregelungen zu den Voraussetzungen der Leistungsgruppenzuweisung (Erfüllung der für die jeweiligen Leistungsgruppe geltenden Qualitätskriterien) sollten restriktiv angewendet werden, können aber durchaus im Einzelfall zwingend erforderlich sein, um die Versorgung in der Region angesichts regionaler Besonderheiten und Gegebenheiten sicherzustellen. Dennoch darf dies nicht zu einer Aufweichung der sinnvollen Qualitätsvorgaben und der bedarfsplanerischen Zielsetzung der Reform führen.

Bei der Reform müssen stets die Patient*innen im Mittelpunkt stehen. Daher ist die Beteiligung der Patientenorganisationen nach § 140f an dem Prozess der weiteren Festlegung und Fortentwicklung der bundeseinheitlichen Leistungsgruppen und deren Qualitätskriterien neben den medizinischen Fachgesellschaften sowie der Selbstverwaltungspartner im Gesundheitswesen ebenso notwendig wie folgerichtig, um die Interessen der Patient*innen in das Verfahren angemessen einzubringen.

Planungsrelevante Qualitätsindikatoren anpassen statt streichen

Zu Artikel 1 Nr. 11 (insbesondere zu § 136c Absatz 1 SGB V)

Die Regelungen zu den planungsrelevanten Qualitätsindikatoren werden aufgehoben, da die Berücksichtigung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität im Rahmen der Krankenhausplanung der Länder durch die Krankenhausreform umfassend neu gestaltet werden soll.

SoVD-Bewertung: Die vollständige Streichung der Regelungen in § 136c SGB V zu den planungsrelevanten Indikatoren erscheint nicht sachgerecht. Den Planungsbehörden sollten weiterhin die Auswertungsergebnisse zu den Qualitätsindikatoren zur Prozess- und Ergebnisqualität als Grundlage für qualitätsorientierte Entscheidungen der Krankenhausplanung zur Verfügung stehen. Dazu ist eine Ausrichtung an den neuen Leistungsgruppen zweckdienlich und eine entsprechende gesetzliche Anpassung erforderlich. Keinesfalls sollten diese Qualitätsinformationen für die Planungsbehörden der Länder durch Streichung vollends verloren gehen.

Transformationsfonds verantwortungsgerecht finanzieren ohne systemwidrige Zweckentfremdung von GKV-Beitragsmitteln

Insbesondere zu Artikel 1 Nr. 14 b (§ 271 Abs. 6 NEU) und Artikel 2 Nr. 6 (§ 12 b NEU)

Mit dem Gesetz soll ein Transformationsfonds zum Umbau der Krankenhauslandschaft aufgesetzt werden. Dazu soll der erstmals 2016 eingerichtete Krankenhausstrukturfonds um ein Jahr bis Ende 2025 verlängert werden. Ab 2026 wird dieser als Transformationsfonds neu aufgesetzt. Der Entwurf sieht vor, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Hälfte der Fondsmittel, insgesamt bis zu 25 Milliarden Euro, finanziert. Dazu werden über zehn Jahre jährlich bis zu 2,5 Milliarden Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds verwendet.

Diese Mittel sollen überwiegend über eine jährliche Minderung der Zuweisungen an die Krankenkassen finanziert werden. Hierfür wird die Obergrenze der Liquiditätsreserve für die Geschäftsjahre 2025 bis 2035 vorübergehend von 25 Prozent auf 50 Prozent einer durchschnittlichen Monatsausgabe des Gesundheitsfonds erhöht. Eine Förderung durch den Transformationsfonds ist nur möglich, wenn sich die Länder an der Finanzierung beteiligen und die andere Hälfte der aufzubringenden Mittel tragen. Eine Beteiligung der Krankenhausträger hieran ist möglich. Eine finanzielle Beteiligung der privaten Krankenversicherung ist nicht verpflichtend vorgesehen.

SoVD-Bewertung: Ungeachtet der Fragestellung, ob ein Transformationsfonds zur finanziellen Unterstützung der Krankenhäuser bei Umstrukturierungen im Zuge der Krankenhausreform notwendig ist und zusätzlicher finanzieller Mittel bedarf, 

protestiert der SoVD aufs Schärfste gegen die vorgesehene Finanzierungsaufteilung des Transformationsfonds zulasten der Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung und lehnt dies entschieden ab.

Mittel zur finanziellen Unterstützung von Umstrukturierungen der Krankenhäuser im Rahmen der Krankenhausreform sind Investitionskosten. Gesetzlich sind die Länder dazu verpflichtet, die Investitionskosten ihrer Krankenhäuser zu finanzieren. Sie kommen ihrer Verpflichtung jedoch in den letzten Jahren immer weniger nach. Dabei stieg der Investitionsbedarf in den letzten Jahren kontinuierlich an: Lag der Investitionsbedarf insgesamt über alle Länder betrachtet im Jahr 2014 bei 5,74 Milliarden Euro, lag der Bedarf für das Jahr 2021 bei rund 6,4 Milliarden Euro. Demgegenüber stand ein Fördervolumen den Ländern 2014 in Höhe von 2,78 Milliarden Euro und im Jahr 2021 von lediglich rund 3,29 Milliarden Euro zur Verfügung. Es fehlt damit rund die Hälfte der notwendigen Investitionsmittel bundesweit.

In der Summe der Jahre 2014 bis 2021 ergibt sich nach Daten der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) daraus eine Deckungslücke in Höhe von rund 24,7 Milliarden Euro. Zugleich sind die Ausgabenschwankungen der Bundesländer erheblich. In der Folge sehen sich die Krankenhäuser zu Einsparungen oder nicht gerechtfertigte Mengenausweitungen und Quersubventionierungen zulasten einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung und der Patientensicherheit gezwungen. Diese Entwicklung haben die Länder in erheblichen Maße zu verantworten.

Soweit der Bund mit der Krankenhausreform die Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung als Ziel verfolgt, ist eine finanzielle Beteiligung an den Umstrukturierungsmaßnahmen der Krankenhäuser als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und gesamtgesellschaftlichen Verantwortung zwingend aus Bundessteuermitteln zu finanzieren. Dieser Finanzierungsverantwortung will sich der Bund entziehen durch die hälftige Finanzierung des Transformationsfonds in Höhe von bis zu 25 Milliarden Euro aus Beitragsmitteln, die aus Beitragsrücklagen der Versicherten gebildet wurden.

Der SoVD stellt klar: Die Liquiditätsreserve der gesetzlichen Krankenversicherung ist kein Selbstbedienungssparschwein der Regierung zur Querfinanzierung von teuren Großprojekten und zur Haushaltsanierung auf Kosten der gesetzlich Versicherten, um die Schuldenbremse einzuhalten. Durch die vorgesehene Regelung stünden notwendige Beitragsmittel infolge der Zweckentfremdung nicht mehr für notwendige Versicherungsleistungen der gesetzlich versicherte Patient*innen zur Verfügung. Angesichts der ohnehin angespannten Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine solche Zweckentfremdung und in dieser Größenordnung nicht akzeptabel. Notwendig sind endlich grundlegende und zukunftsgerichtete Reformen für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Ferner sei darauf hingewiesen, dass die Krankenhausreform letztlich allen Patient*innen in Deutschland zugutekommt, weshalb die private Krankenversicherung zwingend an etwaigen Kosten finanziell zu beteiligen ist.

Schließlich dürfen finanzielle Mittel zur Unterstützung von Umstrukturierungen der Krankenhäuser im Rahmen der Krankenhausreform nicht nach dem Gießkannenprinzip wahllos verteilt werden, sondern müssen sinnvoll und gezielt mit in den Transformationsprozess eingesetzt werden. Die für die Versorgung notwendigen Standorte müssen erhalten und unterstützt werden. Andere Standorte müssen überdacht werden.

Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen überaus sinnvoll

Zu Artikel 1 Nr. 5 (§ 115g ff. NEU)

Die Länder erhalten gesetzlich die Möglichkeit, sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen zu bestimmen, die wohnortnah stationäre Krankenhausbehandlungen mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbinden. Daneben können sich auch bettenführende Primärversorgungszentren (PVZ), Regionale Gesundheitszentren (RGZ), integrierte Gesundheitszentren oder andere ambulant-stationäre Zentren zu sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen entwickeln. Bei sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen handelt es sich um Krankenhäuser, die zum Zweck der Veröffentlichung im Transparenzverzeichnis („Krankenhausatlas“) in der Versorgungsstufe Level 1i zugeordnet werden.

SoVD-Bewertung: Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen sind überaus sinnvoll und werden ausdrücklich begrüßt. Der SoVD setzt große Erwartungen und Hoffnungen in diese neue Form der integrierten sektorenübergreifenden Versorgung, die das Potenzial haben, die bestehenden Versorgungslücken zwischen den – nach wie vor bestehenden – Sektorengrenzen im deutschen Gesundheitswesen zu schließen. Dies gilt insbesondere für das Entlassmanagement, wo nach der Entlassung aus dem Krankenhaus teilweise eine abgestimmte Anschlussversorgung nur schlecht erfolgt oder gänzlich fehlt. Zugleich bieten sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen eine adäquate Perspektive im Rahmen der Krankenhausreform für kleinere Krankenhäuser mit geringerer Bettenzahlen, um an der planerischen Gesundheitsversorgung weiterhin teilzunehmen.

Eine stärkere Ambulantisierung bislang stationär erbrachter Leistungen ist sinnvoll und notwendig, wenn dies medizinisch angemessen und ein stationärer Aufenthalt nicht erforderlich ist. Im internationalen Vergleich findet in Deutschland eine überdurchschnittlich hohe stationäre Versorgung statt, obgleich die ambulante Versorgung zumeist nicht nur kosteneffizienter, sondern in der Regel auch schneller sowie für die Patient*innen schonender ist und direkt vor Ort erfolgen kann, 

was letztlich zu einer Stärkung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum beitragen könnte. Des Weiteren ist gerade die Öffnung der fachärztlichen Versorgung in strukturschwachen Regionen wichtig und auch notwendig, um Versorgungslücken zu schließen. Viel zu oft kommen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) ihren Auftrag zur Sicherstellung einer ambulanten medizinischen Versorgung in der Fläche – gerade in strukturschwachen und ländlichen Regionen – nur ungenügend nach, insbesondere bei der fachärztlichen Versorgung.

Kommt diesen Versorgungseinrichtungen auch eine zentrale sektorenübergreifende Rolle zu, kann dies nur der erste wichtige Schritt auf dem Weg zu einer sektorenübergreifenden und integrierten Gesundheitsversorgung sein. Die Planung kassenärztlich ambulanter Praxisstandorte und stationär versorgender Klinikstandorte darf nicht länger getrennt voneinander, sondern muss zusammen erfolgen (sektorenübergreifende Bedarfsplanung). Eine strenge Trennung bei der Planung und Finanzierung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung verhindert eine gute verzahnte Versorgung.

Tarifkostenrefinanzierung richtig

Insbesondere zu Artikel 4 Nr. 10 (§ 10 KHEntG)

Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und der Liquidität von somatischen Krankenhäusern, besonderen Einrichtungen als auch von psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern werden die schon bestehenden Regelungen zur Tarifkostenrefinanzierung modifiziert: Ab dem Jahr 2024 tritt rückwirkend an die Stelle der bisherigen hälftigen Tarifkostenrefinanzierung eine vollständige Tarifkostenrefinanzierung für alle Beschäftigtengruppen, die bereits unterjährig und nicht erst für das Folgejahr umzusetzen ist. Zudem ist bei der Ermittlung der Obergrenze für den jährlichen Anstieg des Landesbasisfallwerts für die somatischen Krankenhäuser sowie des Gesamtbetrags für die psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen und der Erlössumme für die besonderen Einrichtungen der volle anstelle des anteiligen Orientierungswerts zugrunde zu legen. Dabei ist eine bereits erfolgte Tarifkostenrefinanzierung mindernd zu berücksichtigen, um eine Doppelfinanzierung zu vermeiden.

SoVD-Bewertung: Die vollständige Tarifkostenrefinanzierung ist angesichts der bereits gesetzlich erfolgten und sinnvollen Kostenübernahme für Pflegepersonal im Krankenhaus folgerichtig. Mit der Regelung wird die Möglichkeit einer frühzeitigen und vollständigen Refinanzierung von Tariflohnsteigerungen durch eine unterjährige Neuvereinbarung des Landesbasisfallwerts geschaffen. Hierdurch werden die wirtschaftliche Lage und die Liquidität der Krankenhäuser verbessert. Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) hat die Bundesregierung 2018 beschlossen, die Kosten für Pflegepersonal im Krankenhaus aus dem Vergütungssystem der 

Fallpauschalen herauszulösen. Die Pflege wird seit Januar 2020 über ein krankenhausindividuelles Pflegebudget nach dem Selbstkostendeckungsprinzip finanziert. Durch Kosten für Tarifabschlüsse und Inflationssteigerungen kommt es aber zu Verwerfungen bei der Refinanzierung. Laut Umfragen des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) können die Krankenhäuser die steigenden Personalkosten im Jahr 2024 ohne eine gesetzliche Korrektur nicht durch die für dieses Jahr erwarteten Erlöse decken. Die Mittel werden in den Allgemeinkrankenhäusern und den Psychiatrien die Mehrkosten beim Personal nur gut zur Hälfte über die Erlöse gedeckt. Demnach blieben durchschnittlich rund 50 Prozent der Mehrkosten beim Personal ungedeckt.

Barrierefreiheit bei der Reform zwingend mitdenken

Nach wie vor stoßen Menschen mit Behinderungen oder Pflegebedarf in ungünstigen sozialen Lagen oder mit Migrationshintergrund im deutschen Gesundheitswesen auf unterschiedlichste Barrieren und Hindernisse. In der Folge sind sie einem höheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Gerade aber für diese Personengruppe ist eine gute gesundheitliche Versorgung essenziell. Teilhabe, Inklusion und Barrierefreiheit muss bei Planung und Gestaltung eine zentrale Rolle einnehmen. Gesundheitseinrichtungen müssen vollumfänglich barrierefrei sein.

Nach Artikel 25 der UN-Behindertenrechtskonvention soll sichergestellt werden, dass Menschen mit Behinderungen eine „Gesundheitsversorgung in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard“ wie andere Menschen erhalten. Zudem sollen Gesundheitsleistungen angeboten werden, „die von Menschen mit Behinderung speziell wegen ihrer Behinderung benötigt werden“. Darauf weist auch § 2a SGB V hin, der besagt, dass in Bezug auf die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung „den besonderen Belangen behinderter und chronisch kranker Menschen Rechnung zu tragen ist“.

Seit 2021 besteht ein neuer Leistungsanspruch gegenüber der Krankenversicherung und im Eingliederungsrecht. Dieser betrifft die Kostenübernahme in bestimmten Fällen, wenn sich Menschen mit Behinderungen bei einer Klinikbehandlung von einer Vertrauensperson begleiten lassen. Nachbesserung braucht es hier für demenziell Erkrankte und Ältere mit Pflegebedarf.

Berlin, 30. April
2024 DER VORSTAND