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Armut und andere Probleme europäisch lösen

SoVD-Zeitung - Artikel

Die Bundesrepublik Deutschland übernimmt zum 1. Juli von Kroatien den Vorsitz im Rat der Europäischen Union, die „EU-Ratspräsidentschaft“. Diese wechselt alle sechs Monate nach einer festgelegten Reihenfolge gleichberechtigt zwischen allen Mitgliedstaaten. Zum Antritt dieses wichtigen Amtes fordert der SoVD die Bundesregierung auf, sich besonders um sozialpolitische Themen zu kümmern.

Hände greifen ineinander.
Beim Geld darf die Freundschaft nicht länger aufhören, meint der SoVD. Seine Vision ist ein soziales und solidarisches Europa .Foto Prostock-Studio / Adobe Stock

Die EU erhielt 2012 den Friedensnobelpreis. Längst ist sie nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Union – mit dem größten Binnenmarkt der Welt und gemeinsamen Werten. Doch zur echten Solidargemeinschaft ist es noch ein weiter Weg.

Wichtige Schritte formulierte der SoVD unter dem Titel „Für ein Europa mit Zukunft. Forderungen des SoVD zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020“. Das Papier schickte er an Verantwortliche in der Bundespolitik und Europäischen Kommission.

Darin fordet der SoVD, die soziale Dimension der EU zu stärken. Sie müsse sich zu einem sozialen Europa entwickeln, mit solidarischen Krisenlösungen und Zukunftsprogrammen. In der Sozialpolitik kann die EU zwar nur begrenzt Gesetze erlassen, verantwortlich sind zunächst die Nationalstaaten (Subsidiaritätsprinzip). Doch diese müssten sich auf Mindeststandards und gegenseitige Sicherung einigen. Ungleichheit und soziale Kälte können sie nur gemeinsam bekämpfen.

Sozialpolitische Strategien

Darum appelliert der Verband an die Bundesregierung, nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene soziale Fragen anzugehen: Armut, Wohnen, Gleichstellung, Inklusion von Menschen mit Behinderungen und Pflege. Solidarität dürfe nicht an Ländergrenzen enden.

So schlägt der SoVD etwa eine Armutsstrategie vor. Sie beinhaltet Mindestlöhne, Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung sowie bessere Absicherung, auch im Alter.

Pandemie verstärkt Probleme

Die EU muss nun die Folgen der Coronavirus-Pandemie abfedern. Aber die Forderungen des SoVD gelten darüber hinaus. Schon lange weist er auf soziale Schieflagen hin – sie verschärfen sich in Krisenzeiten. Die Arbeitslosenzahl etwa stieg dramatisch.

„Große Herausforderungen brauchen mutige Lösungen“, so SoVD-Präsident Adolf Bauer zur deutschen Regierungserklärung. „Die Erwartungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sind hoch: Die Europäische Union muss sozial gerechter werden. Armut und Arbeitslosigkeit müssen endlich entschieden bekämpft und wirtschaftliche Ungleichgewichte abgebaut werden.“

Das Vertrauen in die EU war schon vor Corona erschüttert und droht jetzt weiter zu sinken. „Alle EU-Bürgerinnen und Bürger müssen erleben können, dass das gemeinsame Wirken in der EU ihre individuelle Lebenssituation verbessert“, erklärte Bauer.

SURE gegen Arbeitslosigkeit

Aktuell liegt der Fokus darauf, dass die Mitgliedstaaten einander beim Bewältigen der Krise helfen – und vor allem Arbeitsplätze retten. Eines von drei Sicherungsnetzen ist das Programm SURE („Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency“, deutsch: „Unterstützung zur Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Krise“). SURE-Darlehen finanzieren Kurzarbeit. So können Staaten Unternehmen helfen, Menschen weiterzubeschäftigen. Auch für Selbstständige gibt es Möglichkeiten.

Rückwirkend ab 1. Februar können die Länder vorübergehend zu günstigen Bedingungen insgesamt bis zu 100 Milliarden Euro beantragen, die die EU als internationale Kredite aufnimmt. Das am 19. Mai beschlossene Paket wird nun auf nationaler Ebene umgesetzt. In Deutschland berieten schon Bundestag und -rat zum SURE-Gewährleistungsgesetz.

Arbeitslosenrückversicherung

Doch ist es damit getan? Nur zum Teil. „Das SURE-Paket ist ein wichtiges Signal: Europa steht in der Corona-Pandemie zusammen“, so Bauer dazu. „Wir brauchen aber ein dauerhaftes Instrument, damit wir auch bei künftigen Krisen schnell und solidarisch reagieren können.“

Nötig ist aus SoVD-Sicht eine europäische Arbeitslosenrückversicherung. Sie federt Konjunktureinbrüche ab, verhindert Arbeitslosigkeit und stärkt den Binnenmarkt: In Krisen stabilisieren EU-Länder so ihre Sicherungssysteme durch Kredite.

Wichtig ist zudem langfristiger Schutz vor Arbeitsverlust, schlechten und unfairen Löhnen und Arbeitsbedingungen oder Änderungen am Arbeitsmarkt. Auch eine gute Grundsicherung in allen Staaten ist unabdingbar.

Armut bei Kindern

Erwachsenenarmut bedeutet immer auch Kinderarmut. Denn wenn Eltern schlecht bezahlt, arbeitslos oder schlecht abgesichert sind, wirkt sich das auf ihre Kinder aus. Diese sind besonders schützenswert. Deshalb unterstützt der SoVD eine schon diskutierte „Europäische Kindergarantie“. Sie soll den Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Betreuung, Wohnraum und guter Ernährung sichern.

Veranstaltung über Armut

Armut rückt der SoVD im ganzen Halbjahr der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in den Blick. Für den 12. Oktober laden er und die AWO Verbände, Organisationen und Politik zur Veranstaltung „Europäische Strategien zur Armutsbekämpfung – Perspektiven für ein Europa von morgen“ ein. Hierzu und zur weiteren Entwicklung wird die Zeitung natürlich berichten.