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Gleichstellung endlich wirksam voranbringen

Frauen SoVD-Zeitung - Artikel

SoVD-Positionspapier von Frauenpolitischem und Sozialpolitischem Ausschuss (FPA und SPA).

Frau und Kinder in der Küche, während Mann gerade nach Hause kommt.
Veraltete Rollenbilder verhindern, dass Sorge- und Erwerbsarbeit gleich und fair aufgeteilt sind. Foto: Kzenon / Adobe Stock

Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Menschenrecht. Und gesetzlich ist sie in Deutschland längst gegeben – schon im Grundgesetz. Doch in der Realität haben Männer und Frauen immer noch unterschiedliche Lebensbedingungen und -chancen. Um das hehre Ziel wirklich zu erreichen, fordert der SoVD schon lange weitere, wirksame Maßnahmen. Ein neues Papier gibt dem Nachdruck.

Gerechtigkeit und Chancengleichheit gehen alle an. Das SoVD-Positionspapier erarbeiteten daher der Frauenpolitische Ausschuss (FPA) und der Sozialpolitische Ausschuss (SPA) gemeinsam. In den Blick rückt es die gleichberechtigte Teilhabe in Familie, Beruf und Politik, Umverteilung von Sorgearbeit sowie eine gerechte Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik.
Gleichstellung nutzt der ganzen Gesellschaft. So bedeutet fair geteilte Erwerbs- und Sorgearbeit zum Beispiel auch, dass Männer nicht mehr „Versorger“ sein müssen und Väter mehr Zeit und Bindung mit ihren Kindern haben können. 
Zwar sieht der Ampel-Koalitionsvertrag aus SoVD-Sicht viel Gutes vor, verspricht mehr Bewegung denn je und bis 2030 volle Gleichstellung. Doch Krieg und Krisen bremsten das Thema aus. Zuvor hatte die Pandemie den Stand sogar „zum Teil um Jahre zurückgeworfen“, so SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. Mehr Frauen als Männer verloren ihre Arbeit und bei der Kinderbetreuung siegten alte Rollenmuster. 

SoVD empfiehlt der Politik konkrete Maßnahmen


Der Verband drängt daher auf schnellere politische Schritte.Für echte Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen macht er konkrete Vorschläge. Das Papier geht an die Öffentlichkeit und Parteien. Michaela Engelmeier, Bundesfrauensprecherin Jutta König sowie die Frauensprecherinnen und aktiven Männer und Frauen der Gliederungen können es in Gespräche mit Politik und Gesellschaft einbringen. 
Das findet der SoVD nötig:

  • Freistellung des zweiten Elternteils rund um die Geburt eines Kindes, um Betreuung und Erziehung von Anfang an zu teilen,
  • Freibetrag bei Sozialleistungen in Höhe des Mindest-Elterngeldes,
  • Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen: Mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Privathaushalten würdigt „weibliche“ Tätigkeiten und sichert ab, 
  • Sorgeberufe aufwerten: bessere Anerkennung, Bezahlung und Arbeitsbedingungen gegen das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern,
  • gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit: Entgelttransparenzgesetz zu Lohngerechtigkeitsgesetz weiterentwickeln, Lohnlücke schließen,
  • Niedriglohnsektor bekämpfen – Minijobs sozialversichert umwandeln: gegen Armut trotz Arbeit,
  • Entgeltersatzleistung für pflegende Angehörige, um Pflegezeiten auszugleichen,
  • mehr Repräsentanz von Frauen: verbindliche Quoten in Parteien, Parlamenten, Führungspositionen und Gremien,
  • zeitgemäße Ehegattenbesteuerung: Splitting abschaffen, flankiert durch Kompensationsleistungen und Übergangsregelungen.

Frauen stärken in Familie,  Beruf, Steuer, Absicherung


Bisher bremsen alte Rollenbilder Veränderung aus, verfestigt durch das Steuersystem.  So bringen Frauen im Durchschnitt täglich anderthalb Stunden mehr Zeit für Haushalt, Kinder und Angehörigenpflege auf als Männer; Frauen in Paarbeziehungen mit Kindern sogar zweieinhalb Stunden mehr. Der „Gender Care Gap“, die Lücke zwischen den Geschlechtern bei unbezahlter Sorgearbeit, beträgt 52 Prozent und in den Paarhaushalten 83 Prozent. Das ergab der zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung.
Der „Gender Care Gap“ ist verbunden mit dem „Gender Pay Gap“: Je mehr unbezahlte Sorgearbeit Frauen leisten, desto weniger Zeit bleibt für Erwerbsarbeit. Die Einkommenslücke wird eine noch größere Rentenlücke. 

Tempo bei der Umsetzung statt Entwarnung 


Die geforderten Maßnahmen sollen endlich Rahmenbedingungen für partnerschaftliches Teilen der Aufgaben schaffen.  Am Arbeitsmarkt muss sich so ebenfalls etwas tun. Nur ein Bruchteil der erwerbstätigen Frauen ist in leitender Position, viele arbeiten in Branchen mit schlechten Bedingungen, geringer Stundenzahl und Niedriglöhnen. Selbst die Digitalisierung nutzt ihnen im Job kaum, zeigte der dritte Gleichstellungsbericht, wenige sind in der Branche tätig. Kein Grund zum Nachlassen also – mehr Tempo gegen das Ungleichgewicht tut Not. 
Das detaillierte Positionspapier gibt es zum Gleichstellungsmonat März auf www.sovd.de.

„Nachteile bei Beruf und Rente“

Von tatsächlicher Gleichstellung haben nicht nur Frauen etwas, sondern auch Männer, betont Bundesfrauensprecherin Jutta König. Was warum nötig ist, um sie zu erreichen, erklärt sie anhand einiger aktueller SoVD-Forderungen.

___2024 soll die Väterfreistellung kommen. Was würde sie ändern?
Das Elterngeld reicht nicht, um Familie und Beruf gut zu vereinen. Immer noch kümmern vor allem Frauen sich um Kinder. Wir fordern, dass die zweiten Elternteile in den ersten 30 Tagen nach einer Geburt mindestens zwei Wochen bezahlt der Arbeit fernbleiben können. Besser wäre länger, rund um die Entbindung, etwa wie ein halber Mutterschutz. Das zeigt von Anfang an, auch den Arbeitgeber*innen, dass Kinderbetreuung gleichberechtigt ist. Und je früher Väter Verantwortung tragen, desto eher tun sie es dauerhaft. Das tut den Kindern gut und stärkt die Arbeitsteilung. 

___Und was soll ein Pflegegeld, ähnlich dem Elterngeld, bewirken?
In erster Linie pflegen Frauen Angehörige. Eine Entgeltersatzleistung für Pflegezeiten mindestens in Höhe des Elterngeldes kann Nachteile im Beruf abwenden. Für Männer wäre es ein Anreiz, Pflege zu übernehmen. Solche Versprechen im Koalitionsvertrag müssen jetzt Gesetze werden, das fordern wir auch im Bündnis „Sorgearbeit fair teilen“.

___Warum ist das Ehegattensplitting ein Problem?
Es widerspricht der eigenständigen Existenzsicherung von Frauen. Je größer der Einkommensunterschied, desto mehr Steuern sparen Verheiratete durch verschiedene Steuerklassen. Meist reduziert die Frau ihre Erwerbstätigkeit, mit Folgen für Einkommen und Rente. Der SoVD fordert jetzt die Abschaffung der Steuerklassen III / V.

___Welche Themen sind für Sie jetzt besonders drängend?
Viele. Für Chancengleichheit von Anfang an müssen wir Kinderarmut bekämpfen, die immer auch Elternarmut bedeutet. Die Kindergrundsicherung muss endlich kommen. Am Arbeitsmarkt geht es unter anderem um mehr Frauen in Führungspositionen – und immer noch um gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit! 

___Gibt es frauenpolitisch weitere, langfristige Baustellen?
Zum Beispiel leider Gewaltschutz. Jede dritte Frau erlebt Gewalt. Die Ursachen sind zu bekämpfen, und mehr Plätze in Frauenhäusern müssen her. Zudem fehlt Betroffenen oft der Mut, darüber zu sprechen. Der SoVD unterstützt die Aktion „Schweigen brechen“, das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ muss bekannter werden: 0800 / 116 016.