Die Grundrente soll Menschen zugute kommen, die ein Arbeitsleben lang in die staatliche Altersvorsorge eingezahlt haben und dennoch kaum von den Bezügen leben können. Sie sollen künftig mehr erhalten als Menschen, die nicht oder wenig gearbeitet haben und eine Rente beziehen, die zehn Prozent über der Grundsicherung liegt. Dies soll ihre Lebensleistung stärker anerkennen.
Ob Betroffenen damit der Gang zum Sozialamt überwiegend erspart bleibt, muss sich indes noch bewahrheiten.
Konkret erhalten nach dem neuen Gesetz Geringverdienende ab dem 1. Januar 2021 einen Zuschlag auf die Rente, wenn sie 33 Jahre an „Grundrentenzeiten“ vorweisen können. Als Grundrentenzeiten werden dabei Zeiten definiert, in denen Pflichtbeiträge aus Beschäftigung, Kindererziehung oder Pflegetätigkeit gezahlt wurden. Nach 35 Jahren erreichen die Zuschläge die volle Höhe. Eine Grundrente erhalten dabei grundsätzlich nur diejenigen, deren Einkommen unter bestimmten Grenzen liegt. Die Berechnung selbst erfolgt nach einem komplizierten Verfahren.
Besonders Frauen profitieren
Etwa 1,3 Millionen Menschen sollen im Startjahr von der Grundrente profitieren. 70 Prozent der Anspruchsberechtigten werden nach Schätzungen Frauen sein. Denn insbesondere in früheren Jahrzehnten waren ihre durchschnittlichen Löhne häufig niedriger als die von Männern. Auch heute tragen Frauen meistens den größeren Anteil bei der Kindererziehung und der Pflege von Angehörigen.
Folgende Einkommensgrenzen sollen für die Grundrente gelten: Den vollen Aufschlag erhalten Rentner*innen, deren monatliches Einkommen als Alleinstehende bei maximal 1.250 Euro liegt. Bei Eheleuten oder Lebenspartner*innen liegt die Grenze bei 1.950 Euro. Einkommen über dieser Trennlinie sollen zu 60 Prozent auf die Grundrente angerechnet werden. Zwei Beispiele: Bei 1.300 Euro Einkommen (alleinstehend) würden demnach 50 Euro zu 60 Prozent angerechnet – die Grundrente fiele 30 Euro niedriger aus. Bei 1.400 Euro Einkommen wären dies entsprechend 60 Prozent von 150 Euro, also 90 Euro weniger. Liegt das Einkommen bei mehr als 1.600 Euro beziehungsweise bei Paaren 2.300 Euro, soll es zu vollen 100 Prozent auf den Grundrentenzuschlag angerechnet werden.
Rentenversicherung soll Einkommen prüfen
Weil die Regierung vermeiden möchte, dass Menschen die Grundrente erhalten, obwohl sie eventuell ein zusätzliches Auskommen aus anderen Quellen haben, soll die Deutsche Rentenversicherung im Zuge der Einkommensprüfung auch weiteres zu versteuerndes Einkommen prüfen. Gemeint sind Mieteinkünfte, Pensionen oder Beträge betrieblicher und privater Vorsorge. Dies soll in Kooperation mit den Finanzbehörden passieren.
Ebenso angerechnet werden soll derjenige Teil von Renten und Kapitalerträgen, der nicht bereits im zu versteuernden Einkommen enthalten ist. Zum Abzug kommen hingegen Werbungskosten und Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung.
Im Einführungsjahr erhalten Menschen, die gerade erst in den Ruhestand eingetreten sind, die Grundrente voraussichtlich noch nicht. Denn Angaben über das zu versteuernde Einkommen liegen in der Regel nur für das vorvergangene Jahr vor. Die Einkommensprüfung soll jedoch einmal im Jahr wiederholt werden.
Langes Tauziehen um den verhandelten Kompromiss
Dem nun verabschiedeten Kompromiss ging ein langes Tauziehen voraus. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) konnten erst kurz vor dem mehrfach verschobenen Kabinettstermin letzte Details klären und Differenzen ausräumen. Gemeinsames Ziel war vor allem die Vermeidung harter Abbruchkanten. Kontrovers diskutiert wurde unter anderem der Einstiegsbereich, den man jetzt auf 33 Jahre erweiterte.
Freibeträge beim Wohngeld und in der Grundsicherung
Auch die Anrechenbarkeit von Einkommen auf die Grundsicherung war ein Streitpunkt. Denn das Gesetz wird durch mögliche Freibeträge in der Grundsicherung begleitet.
Auf diese Weise sollen Menschen Unterstützung erfahren, die in ihrem Erwerbsleben besonders wenig verdienen konnten. Wer 33 Beitragsjahre in einem der gesetzlichen Altersvorsorgesysteme vorweisen kann und dennoch auf die Grundsicherung angewiesen ist, soll deshalb einen Freibetrag in Höhe von maximal 216 Euro erhalten.
Freibeträge soll es auch beim Wohngeld geben. Diese sollen verhindern, dass bei steigenden Mietkosten die Grundrente in voller Höhe angerechnet wird.
SoVD gegen Bedürftigkeitsprüfung
Weil die Berechnungsverfahren mit hohen verwaltungstechnischem Aufwand verbunden sind, fokussierten sich die von verschiedener Seite vorgebrachten Einwände zur Grundrente zuletzt insbesondere auf die vorgelagerten Einkommensprüfungen.
Der SoVD, der sich schon früh in die Debatte eingebracht hat, forderte wiederholt den vollständigen Verzicht darauf: „Schon aus Respekt vor der Arbeitsleistung der Frauen hätte die Koalition darauf besser verzichtet“, erklärte SoVD-Präsident Bauer.
Er mahnte zudem, die geplante Anerkennung der Lebensleistung von Millionen Menschen nicht Parteiengezänk zu opfern. Finanzierungsprobleme würden durch eine stärkere Anrechnung von Einkommen auf die Grundrente in keiner Weise gelöst, so Bauer. Stattdessen verringere sich der Kreis der Bezugsberechtigten.
Es sei nicht hinnehmbar, dass Zeiten der Arbeitslosigkeit und Zurechnungszeiten bei Erwerbsminderung auch weiterhin nicht als Voraussetzung für eine Grundrente zählten. Bauer forderte: „Nachbesserungen sind geboten. Sie dürfen jedoch nicht zu weiteren Verschlechterungen der im Kern guten und richtigen Grundrente führen.“