Alleinsein, Einsamkeit und soziale Isolation sind als Begriffe grundsätzlich voneinander zu unterscheiden, wenngleich die Grenzen fließend sein können. Wenig Gesellschaft zu haben, bedeutet nicht automatisch, „einsam“ zu sein. Mit „Einsamkeit“ wird vor allem subjektives Erleben beschrieben. Als einsam gilt man, wenn die vorhandenen Beziehungen nicht den eigenen Bedürfnissen nach Zugehörigkeit und Geborgenheit entsprechen. Soziale Isolation geht über das subjektive Erleben hinaus und beschreibt den – auch von außen – beobachtbaren dauerhaften Mangel an Kontakten und sozialer Einbindung.
Einsamkeit betrifft vor allem Ältere, aber auch Jüngere
Neuere Studien zeigen auf, dass sich 9,1 Prozent der in Privathaushalten lebenden Menschen zwischen 40 und 89 Jahren einsam fühlen. Bei den 85- bis 89-Jährigen sind es sogar 14,7 Prozent. Im mittleren Alter von 40 bis 60 Jahren sind Männer häufiger betroffen als Frauen, mit zunehmendem Alter ändert sich das Verhältnis jedoch wieder. Alarmierend: Einsamkeit ist auch für Heranwachsende ein Problem. Von den 11- bis 17-Jährigen geben 4,2 Prozent an, sich oft oder immer einsam zu fühlen. Einsamkeitsgefühle erleben im Jugendalter häufiger Mädchen als Jungen. Die Daten, die diese Aussagen belegen, stammen aus Erhebungen des Deutschen Alterssurveys, einer vom Bundesfamilienministerium geförderten Studie sowie einer Langzeitstudie des Robert-Koch-Instituts zur Kindergesundheit.
Alter und körperliche Einschränkungen isolieren
Einsamkeit ist demnach nicht allein ein Problem der Älteren. Sie kommt in jeder Altersgruppe vor und kann auch durch große Veränderungen ausgelöst werden: durch den Verlust des Jobs, eines geliebten Menschen oder durch die Trennung vom Lebenspartner. Auch Armut begünstigt den Prozess der Vereinsamung durch reduzierte Möglichkeiten der Teilhabe.
Bei älteren, vor allem hochbetagten, und pflegebedürftigen Menschen können einsamkeitsverstärkende Faktoren jedoch schwerer ins Gewicht fallen als bei jüngeren, berufstätigen Menschen, die in der Regel ein größeres soziales Netzwerk in Privat- und Arbeitsleben haben. Dies gilt vor allem, wenn Erstere unter körperlichen Einschränkungen leiden, durch die sie zusätzlich isoliert werden.
Einsamkeit kann Körper und Psyche krank machen
Hier kann leicht ein Teufelskreis entstehen. Denn Einsamkeit und soziale Isolation beeinflussen wiederum den Verlauf und das Auftreten chronischer Krankheiten ungünstig. Einsamkeit kann zu Depressionen führen, sowie Demenz und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen. Auch Pflegebedürftigkeit tritt bei einsamen Menschen früher und häufiger auf. Nach einer Studie der Brigham Young University ist Einsamkeit bezogen auf die Gesamtsterblichkeit sogar gleichermaßen schädlich wie Rauchen oder Fettleibigkeit.
Ein Leitsatz des SoVD ist: gemeinsam statt einsam
Zahlreiche Politiker*innen,, Vertreter*innen der Kirche und andere Organisationen fordern, das Phänomen wachsender Einsamkeit in unserer Gesellschaft nicht isoliert und allein schicksalhaft, sondern auch gesellschaftspolitisch zu betrachten
Auch SoVD-Präsident Adolf Bauer stellt fest: „Viele ältere und pflegebedürftige Menschen sind vom gesellschaftlichen Leben abgehängt.“ Oftmals wüssten die Betroffenen einfach nicht mehr weiter. „Damit sich das ändert, muss die Bundesregierung auch das Thema Einsamkeit auf die Agenda setzen.“
Als eine der größten Interessenvertretungen macht sich der Verband seit über 100 Jahren für benachteiligte Menschen stark. Bewusst werden in den Gliederungen vor Ort aber auch solche Treffen organisiert, die der Geselligkeit, dem Gedankenaustausch und gemeinnützigen Zwecken dienen. Unter dem Motto „Gemeinsam statt einsam“ führen die Orts-, Kreis- und Landesverbände des inzwischen 580.000 Mitglieder starken Verbandes unzählige gemeinnützige Veranstaltungen durch. Gesellschaftliche Integration und Gemeinschaftlichkeit gehören zu den wichtigsten Zielen des SoVD: Im Verband soll niemand einsam sein.
Wie gehen andere Länder mit dem Thema um?
Auch in anderen europäischen Ländern ist das Phänomen „Einsamkeit“ gewachsen und zieht sich durch alle Altersgruppen und Gesellschaftsschichten. Großbritannien hat bereits vor Jahren einen eigenen Ministerposten geschaffen, um das Problem als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzugehen.
Eine Studie hatte zuvor ähnliche Ergebnisse wie die hiesigen ergeben: Danach waren auch bei den englischen Nachbarn die am stärksten von Einsamkeit betroffene Gruppe die älteren Menschen oder Pflegebedürftige. Studien des Roten Kreuzes ergaben, dass etwa 200.000 Senior*innen in Großbritannien nur einmal pro Monat mit einem Freund oder einem Verwandten ein Gespräch führen.
Als Vorbild könnten auch Projekte wie in den Niederlanden gelten. Hier gibt es seit Längerem Aktionsprogramme gegen Einsamkeit, die zum Teil staatliche subventioniert werden. Eine ausreichende Finanzierung von staatlicher Seite wäre auch hierzulande nötig, um solch niedrigschwellige Teilhabeangebote wie Nachbarschaftstreffen oder gemeinsames Kochen zu fördern. Derartige Projekte können nur schwer allein auf ehrenamtlicher Ebene funktionieren.
Einsamkeitsbekämpfung ist Teil des Koalitionsvertrags
Mit dem Koalitionsvertrag hatte die Regierung ein Versprechen abgegeben. „Angesichts einer zunehmend individualisierten, mobilen und digitalen Gesellschaft werden wir Strategien und Konzepte entwickeln, die Einsamkeit in allen Altersgruppen vorbeugen und Vereinsamung bekämpfen“, heißt es auf Seite 118. Von einzelnen Projekten und der Förderung von Mehrgenerationenhäusern mit 17,5 Millionen Euro pro Jahr abgesehen, scheint nicht viel passiert zu sein. Die Bundesregierung erklärte zuletzt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage, sie prüfe, inwieweit bisherige Strategien und Konzepte ausreichten, um Einsamkeit zu bekämpfen.