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Impfpflicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2

Gesundheit

Stellungnahme des SoVD anlässlich der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 21. März 2022 zu den Vorlagen von Gesetzesentwürfen zur Impfpflicht

Gesetzentwurf der Abgeordneten Heike Baehrens, Dr. Janosch Dahmen, Katrin Helling‑Plahr, Dagmar Schmidt (Wetzlar), Dr.Till Steffen, Dr. Marie‑Agnes Strack‑Zimmermann, Dirk Wiese und weiterer Abgeordneter Entwurf eines Gesetzes zur Aufklärung, Beratung und Impfung aller Volljährigen gegen SARS-CoV-2 (SARSCovImpfG) BT-Drucksache 20/899

Gesetzentwurf der Abgeordneten Dieter Janecek, Gyde Jensen, Konstantin Kuhle, Franziska Mascheck, Dr. Paula Piechotta, Kordula Schulz‑Asche, Dr.Andrew Ullmann und weiterer Abgeordneter Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer verpflichtenden Impfberatung für Erwachsene und einer altersbezogenen Impfpflicht ab 50 Jahren unter Vorbehalt gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 BT-Drucksache 20/954

Antrag der Fraktion der CDU/CSU Impfvorsorgegesetz – Ein guter Schutz für unser Land BT-Drucksache 20/978

Antrag der Abgeordneten Martin Sichert,Thomas Seitz, Stephan Brandner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD Keine gesetzliche Impfpflicht gegen das COVID-19-Virus BT-Drucksache 20/516

Antrag der Abgeordneten Wolfgang Kubicki, Christine Aschenberg‑Dugnus, Tabea Rößner, Jana Schimke, Jens Koeppen, Dr. Gregor Gysi, Dr. Sahra Wagenknecht und weiterer Abgeordneter Impfbereitschaft ohne allgemeine Impfpflicht gegen SARS-CoV-2 erhöhen BT-Drucksache 20/680

1 Zusammenfassung der Vorlagen

Anlässlich der anhaltenden Coronavirus‑Pandemie in Deutschland liegen dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zur öffentlichen Anhörung am 21. März 2022 drei fraktionsübergreifende Initiativen sowie zwei Fraktionsanträge zur Beratung über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Coronavirus vor. Diese unterscheiden sich in ihren Ansätzen und Zielen im Wesentlichen wie folgt:

  • Eine mit persönlicher Aufklärung und Beratung verbundene allgemeine Impfpflicht für alle Menschen in Deutschland ab 18 Jahren,
  • Die Einführung einer verpflichtenden Impfberatung für Erwachsene und einer altersbezogenen Impfpflicht ab 50 Jahren unter Vorbehalt,
  • Ein sogenanntes Impfvorsorgegesetz, das neben der Einführung eines Impfregisters einen aktivierbaren, gestuften Impfmechanismus für Personen der Altersgruppe ab 60 Jahre bzw. ab 50 Jahre und für bestimmte Berufsgruppen vorsieht, sowie
  • Zwei Anträge wenden sich gegen eine allgemeine bzw. gesetzliche Impfpflicht.

2 Gesamtbewertung

Für den Sozialverband Deutschland (SoVD) steht der Schutz besonders vulnerabler Menschen sowie die Bewältigung der COVID‑19‑Pandemie in Deutschland bei der Bewertung der Vorlagen an oberster Stelle.

Impfungen gegen COVID‑19 reduzieren nicht nur bei den geimpften Personen im Vergleich zu ungeimpften Personen das Risiko einer Infektion und schwerer Krankheitsverläufe (Individualschutz), sondern sie reduziert gleichzeitig die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung (Bevölkerungsschutz). Gerade infolge der hohen Ansteckungsgefahr bedeutet eine Nichtimpfung nicht nur eine erhebliche Gefahr für das eigene körperliche Wohlergehen der oder des Nichtgeimpften, sondern auch ein Risiko für andere Personen, die zum Beispiel aufgrund ihres Alters oder besonderer gesundheitlicher Einschränkungen nicht geimpft werden können. Eine hohe Impfquote reduziert die Infektions‑ und Übertragungswahrscheinlichkeit in der Bevölkerung und dient damit dem Schutz insbesondere vulnerabler Gruppen. Zudem minimiert sie das Risiko schwerer Krankheitsverläufe. Sie trägt zur Entlastung des Gesundheitssystems sowie der Sicherstellung der Regelversorgung bei und reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass erneut anderweitige bevölkerungsbezogene Schutzmaßnahmen erforderlich werden, die mit erheblichen Eingriffen in grundrechtlich geschützte Freiheiten einhergehen würden.

Wir vom SoVD bedauern sehr, dass es bislang nicht gelungen ist, auch die verbliebenen impffähigen Bürger*innen ohne Impfschutz gegen COVID‑19 von der Notwendigkeit und Bedeutung eines solchen zu überzeugen. Zwei Jahre nach dem 

Ausbruch des Coronavirus SARS‑CoV‑2 in Deutschland haben laut Meldungen aller durchgeführten COVID‑19‑Impfungen an das Robert Koch‑Institut insgesamt erst 76,5 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfung gegen COVID‑19 erhalten (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquoten-Tab.html, abgerufen am 18.3.2022). 75,5 Prozent der Bevölkerung wurden zweifach gegen COVID‑19 geimpft (grundimmunisiert). 58,1 Prozent haben eine Auffrischimpfung erhalten. In der Altersgruppe ab 18 Jahren sind 85,4 Prozent der Menschen vollständig geimpft, 67,5 Prozent haben eine Auffrischimpfung erhalten. Entsprechend sind lediglich 14 Prozent der Menschen in dieser Altersgruppe ungeimpft. Dabei geht das RKI im digitalen Impfquotenmonitoring von einer leichten statistischen Untererfassung in Höhe von maximal 5 Prozentpunkten aus, (das heißt, zwischen 6,5 Mio. und 10 Mio. Erwachsene sind ungeimpft).

Eine solche Impfquote wird kaum ausreichend sein, um einen erneuten schnellen und starken Anstieg der Erkrankungszahlen einzudämmen. Ein solcher ist aber für die kommenden Herbst‑ und Wintermonate durchaus zu erwarten. Das zeigen die Zahlen und Erfahrungen der vergangenen Herbst‑ und Wintermonate unter COVID‑19‑Einfluss (2020/2021 und 2021/2022). Zugleich ist nicht prognostizierbar, welche Virusvariante im Herbst/Winter 2022/2023 vorherrschend sein wird.Varianten mit einer schnellen Ausbreitung können an das Gesundheitssystem überwältigende Anforderungen stellen.

Eine einrichtungsbezogene Impfpflicht, wie sie mit dem Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID‑19 bereits eingeführt wurde, dient primär dem Schutz vulnerabler Personen in den Einrichtungen und kann nur einen begrenzten Beitrag zur Steigerung der Impfquote in der Allgemeinbevölkerung leisten. Denn von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht wird nur ein geringer Teil der Bevölkerung erfasst. Die damit verbundene Steigerung der Impfquote fällt im Vergleich zu der mit einer allgemeinen Impfpflicht erreichbaren eher gering aus.

Wir vom SoVD sprechen uns vor dem Hintergrund für einen umfassenden Impfschutz und in der Konsequenz – erneut – für eine allgemeine Impfpflicht aus. Wir stellen uns damit ausdrücklich an die Seite derer, die persönlich und beruflich solidarisch waren und alles Erdenkliche zur Pandemiebekämpfung und zum gesamtgesellschaftlichen Wohl unternehmen und beitragen. Das sind gerade auch all jene impfwilligen und impfbereiten Bürger*innen sowie Beschäftigten in den Gesundheits‑ und Pflege‑ und Dienstleistungsberufen, die sich bereits haben impfen lassen und seit nunmehr über zwei Jahren aufopferungsvoll den täglichen „Kampf“ gegen Corona auf sich nehmen. Ihnen gilt unser größter Dank und unser tiefster Respekt. Ansetzung für eine Begrenzung der Impfpflicht auf bestimmte Altersgruppen hält der SoVD als „Umkehr der Solidarität“ gesellschaftlich für äußerst besorgniserregend. Mit Ausnahme der Volljährigkeit als gesetzlich festgelegter Zeitpunkt 

vollständiger Autonomie erscheint zudem jede Altersgrenze willkürlich und altersdiskriminierend.Zudem wäre mit einem Ausschluss aller unter 50‑Jährigen von der Impfpflicht das Ziel einer notwendigen, hohen Impfquote in der Gesamtbevölkerung kaum zu erreichen.Ausnahmen von einer allgemeinen Impfpflicht sollten daher begrenzt werden. Das sind insbesondere jene Personen, für die eine medizinische Kontraindikation besteht oder die nicht mit einem der in Deutschland zugelassenen und verfügbaren Impfstoffe immunisiert werden können.

Berlin, 21. März 2022
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik