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Stellungnahme zum Barrierefreiheitsgesetz

Behinderung

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales - Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (Barrierefreiheitsgesetz - BFG)

1 Vorbemerkung

Der SoVD erhielt den o.g. Referentenentwurf für ein Barrierefreiheitsgesetz (BFG) zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen am 2. März 2021 übersandt. Die Stellungnahmefrist endet bereits am 12. März 2021, für den 10. März 2021 ist eine Verbändeanhörung terminiert. Die kurzen Fristen kritisiert der SoVD. Sie bleiben hinter den Beteiligungsvorgaben in § 47 GGO zurück und erschwert eine Verbändebeteiligung auf Augenhöhe.Allerdings sieht auch der SoVD die Notwendigkeit, das Gesetzgebungsverfahren in noch dieser Legislaturperiode abzuschließen, um der Umsetzungsfrist der o.g. Richtlinie Rechnung zu tragen. Insoweit gibt der SoVD die vorliegende, noch vorläufige Stellungnahme ab. Er behält sich eine verbandsinterne, vertiefende Diskussion sowie Modifizierungen seiner Erstbewertung vor.

2 Wesentliche Inhalte des Barrierefreiheitsgesetzes und SoVD-Gesamtbewertung

Mit dem Barrierefreiheitsgesetz (BFG) soll die Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (European Accessibility Act; im Folgenden: EAARichtlinie) in deutsches Recht umgesetzt werden.

Der Anwendungsbereich des BFG umfasst dabei Produkte wie Computer,Tablets, Notebooks, Geldautomaten,Ticketautomaten, Mobiltelefone, Router,Fernseher oder auch EBookLesegeräte. Im Bereich der Dienstleistungen werden u.a. Internetzugangsdienste, OnlineHandel, Sprachund Internettelefondienste, Bankdienstleistungen und EBooks umfasst.

Als Wirtschaftsakteure verpflichtet sind nach Maßgabe des BFG Hersteller, Einführer, Händler sowie Dienstleistungserbringer. Sie müssen gewährleisten, dass nur solche Produkte auf dem Markt bereitgestellt werden, die den BarrierefreiAnforderungen entsprechen. Um dies nachzuweisen, müssen für ihre Produkte EUKonformitätserklärungen ausgestellt sein und diese müssen mit einer CEKennzeichnung versehen sein.Ausgenommen vom BFG sind Kleinstunternehmen. Für kleine und mittlere Unternehmen gelten spezifische Regelungen, insbesondere mit Blick auf Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte.

Geregelt wird auch die Marktüberwachung. Diese sollen die Länder als „eigene Angelegenheit“ ausführen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin soll koordinieren und gegenüber der EU gebündelt kommunizieren. Den o.g. Behörden obliegt zu überwachen, dass Wirtschaftsakteure ihre Pflichten einhalten. Sie sollen auch prüfen, ob bei Wirtschaftsakteuren die Voraussetzungen vorliegen, um sich auf Ausnahmeregelungen berufen zu können. Bei Nichtkonformität von Produkten bzw. Dienstleistungen soll die Marktüberwachungsbehörde im BFG vorgesehene Maßnahmen ergreifen. Die Rechtsdurchsetzung sollen Verbraucher, z.T.auch durch Verbände mittels Verbandsklage, unterstützen. Ein spezielles Schlichtungsverfahren sieht das BFG nicht vor.

SoVD-Bewertung: Der SoVD begrüßt sehr, dass mit dem BFG (private) Wirtschaftsakteure rechtlich verbindlich verpflichtet werden, die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen, soweit diese vom BFG umfasst sind, sicherzustellen. Das BFG stellt einen wichtigen rechtlichen Schritt dar, um der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, insbesondere in der digitalen Welt, näherzukommen.

Mit dem BFG obliegt den benannten Wirtschaftsakteuren die grundsätzliche Verpflichtung zu gewährleisten, dass ihre Produkte bzw. Dienstleistungen den Barrierefreiheitsanforderungen entsprechen.

Anders als dies der Titel „Barrierefreiheitsgesetz“ vermuten lässt, regelt das BFG jedoch die Barrierefreiheit von Gütern und Dienstleistungen nicht umfassend, sondern beschränkt sich auf die Umsetzung der EAARichtlinie. Der SoVD regt an, dies im Gesetzestitel noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen, auch um falschen Erwartungshaltungen vorzubeugen. Das Gesetz könnte etwa den Titel „EAAUmsetzungsgesetz“ tragen.

Der SoVD sieht bei zentralen Normen des BFG noch erheblichen Korrekturbzw. Nachbesserungsbedarf. Ziel muss dabei sein, die europarechtlichen Vorgaben ihrem Sinn und Zweck entsprechend umzusetzen, nicht hinter geltende Vorgaben zur Barrierefreiheit im deutschen Recht zurückzufallen sowie eine effektive und wirksame Umsetzung und Durchsetzung der Barrierefreiheitsvorgaben in der Praxis zu unterstützen.

Vor diesem Hintergrund spricht sich der SoVD insbesondere dafür aus bzw. fordert,

  • die Definition von Barrierefreiheit nach § 3 BFG zurückzunehmen,
  • die Barrierefreiheitsverpflichtungen nicht über die EAARichtlinienvorgabenhinaus einzuschränken,
  • die Marktüberwachung von Produkten und Dienstleistungen wirksam undeffektiv auszugestalten,
  • im Bereich der Beförderungsdienste für umfassende Barrierefreiheit Sorgezu tragen,
  • wirksame Überprüfungen in Verwaltungsund Rechtsschutzverfahren zuermöglichen und
  • die Übergangsfristen vor dem Hintergrund der CoronaPandemie, die bereits jetztfür einen enormen Digitalisierungsschub sorgt, deutlich zu verkürzen.

Fortsetzung in der kompletten Stellungnahme